2019 | Nicolas Witschi

Der diesjährige Stipendiat Nicolas Witschi kommt aus Wohlen / Schweiz.

Am 8. Juli hat er sein Domizil in der Großen Sämergasse im Künstlerhaus bezogen, wo er bis Mitte September wohnen und arbeiten wird.

Nach der gestrigen Begrüßung, ersten Kontakte mit Speyer und  Mitgliedern des Künstlerbundes, ist Nicolas heute schon mächtig bei den Vorbereitungen für seine Arbeit. Wir sind gespannt, welche Werkreihe der „Steinejäger“  im Laufe seines Stipendiums in den Räumen des Künstlerbundes entstehen lässt.

Begrüßung des Stipendiaten Nicolas Witschi durch OB Stefanie Seiler im Historischen Rathaus

Nicolas Witschi ist unser 32. Stipendiat und, als Besonderheit: Er ist der erste Künstler aus der Schweiz, der dieses Jahr im Künstlerhaus zu Gast ist.

Danken möchte ich der Stadt Speyer für die jährliche Finanzierung des Internationalen Stipendiums, Frau Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler und Herrn Matthias Nowack für die gute Zusammenarbeit, so dass die Entscheidung für den diesjährigen Stipendiaten einvernehmlich, als auch die Organisation völlig reibungslos von statten ging.

Selbstverständlich danke ich auch den Mitgliedern des Künstlerbundes, die als Juroren mitgewirkt haben – was nicht immer eine leichte Aufgabe ist, wenn man das hohe Niveau der eingereichten Arbeiten bedenkt – und man sich schließlich doch für einen Künstler entscheiden muss.

Einige Daten zu Nicolas Witschi: Er wurde 1989 in Brig im Kanton Wallis geboren, ist dort aufgewachsen und hat nach der üblichen Schule seine künstlerische Ausbildung 2017 auf der Design & Kunsthochschule Luzern mit dem „Master of Arts in Fine Arts und Art Teaching abgeschlossen.

Noch während seiner künstlerischen Ausbildung finden einige Ankäufe statt, 2017 und 2018 erhält er seine ersten Kunstpreise.

Seine bisherige Ausstellungstätigkeit seit 2013 beschränkt sich auf die Schweiz, so dass er hier in Speyer nicht nur sein erstes Auslandsstipendium absolviert, als auch mit seiner Werkausstellung Mitte September seine erste Einzelausstellung im Ausland haben wird.

Nicolas Witschis großes Thema sind Steine. Man kann sagen: er hat sich mit Haut und Haaren dem Stein verschrieben bzw. hingegeben.
Jetzt möchte man üblicherweise an einen Bildhauer denken, der im Felsen die ihm innewohnende Gegebenheit sieht und als bestimmte Form für den Betrachter herausarbeitet.

Wie ein Bildhauer bearbeitet er zwar anfänglich die Steine, die er erjagt hat zunächst mit Hammer und Fäustel, geht aber weiter mit Stößel und Mörser und Gesteinsmühle, um, man möchte sagen, zum Atom vorzudringen. Das heißt, er „atomisiert“ die Steine zu Gesteinsmehl.
Dann in einem anschließenden Prozess mit Acryl und Kunstharz auf Leinwand oder einem bestimmten Bildträger, fügt er in mehreren Schichten diese Grundbestandteile zu einer neuen bildnerischen Form zusammen. Der sich daraus ergebende „Bildgegenstand“ kann ein Stein, eine Felsformation oder ein Licht-Farbspiel aus den jeweils verwendeten Steinen sein.

Der ganze Werkprozess ist zunächst ein physischer, Kräfte beanspruchender, aber auch ein intensiv mentaler, meditativer Vorgang, der eine aufmerksame Betrachtung und Wissen um die verwendeten Steine voraussetzt. Diese Erfahrung hat sich Nicolas Witschi in jahrelanger Arbeit angeeignet.

Mit der ihm eigenen präzisen Organisation ist soweit alles vorbereitet. Die ersten Eindrücke hinterlassen schon ihre Spuren, so dass wir gespannt sein dürfen, was in der Speyerer Zeit entstehen wird.
Lieber Nicolas, ich habe dir aus unserem Garten ein kleines Geschenk mitgebracht: 3 Gesteinsbrocken, von denen es in der Pfalz jede Menge gibt, – mit denen Häuser gebaut wurden – wie auch unser Dom- aber auch Straßenbeläge gefertigt sind: einen roten und einen gelben Sandstein und einen Basalt –– vielleicht finden sie ja Eingang in dein Werk.

Ich hoffe, dass die Mitglieder des Künstlerbundes in der Zeit deines Stipendiums reichlich Anteil an deinem künstlerischen Schaffen haben und in regem Kontakt zu dir stehen werden.

Ich wünsche dir eine gute und kreative Zeit in Speyer.                                                                        

16.7.2019 Reinhard Ader, Vorsitzender des Künstlerbundes

Fotos: Margarete Stern

Fotos: © Kurt keller

Foto: Reinhard Ader

Internationales Stipendium Künstlerhau Speyer, Nicolas Witschi

Der Künstler arbeitet wie ein Maler, denn sein Vorgehen besteht hauptsächlich darin, Material auf einen Träger aufzubringen. Um alle Etappen seines Malens und insbesondere den Fertigungsprozess selbst in die Hand zu nehmen, beginnt Nicolas Witschi, ausgehend von Steinen, die er in der Natur findet, seine eigenen Pigmente zu kreieren. Die Steine wählt er vornehmlich im Hinblick auf ihre Farbgebung aus und sucht sie für gewöhnlich in der näheren Umgebung der Orte, an die man ihn für seine Ausstellungen eingeladen hat. So hat er sich in den letzten zwei Monaten rund um Speyer eine Pfälzer Farbpalette, vor allem aus verschiedenen Buntsandsteinen, angelegt. Die Herstellung der natürlichen mineralischen Pigmente erfolgt durch ein Zermahlen mit Mörser und Stößel. Im Zentrum seiner Arbeit steht die Frage nach dem Prozesshaften. Wie ein Handwerker zerschlägt und zerstößt Nicolas Witschi langsam den Stein, zerkleinert ihn erst zu Fragmenten, dann zu Pulver, inspiziert sein Innenleben, enthüllt seine Geheimnisse, spürt seiner Geschichte nach, taucht in sie ein und macht sie sich zu eigen. Diese Phase, die Umwandlung der Materie, der Übergang vom rohen Stein zum Pigment, wird vom Künstler als meditative Übung, aber auch als Sisyphusarbeit beschrieben. Während sie ihm einerseits Besänftigung und Ruhe verschafft, fordert sie ihm andererseits doch auch Wochen intensiver körperlicher Anstrengung ab, geleistet von der schieren Kraft der Arme und Handgelenke.

Durch die physische Umwandlung des Materials scheint uns der Künstler zu einer Reise durch Zeit und Raum einzuladen. Die Spuren der vergehenden Zeit macht er, zu Gesteinsstaub zermahlen, sichtbar und trägt sie Schicht für Schicht übereinander auf, um so eine neue Form, eine neue Landschaft erstehen zu lassen. Von der das Gelände formenden Erosion über die Ablagerungen der Sedimente bis hin zur Phase der Versteinerung, in der alles erstarrt, bildet Nicolas Witschi als bescheidener Demiurg und quasi im Zeitraffer den Prozess der Orogenese nach, für den die Natur Millionen von Jahren benötigt.

Jeder Stein hat seine Besonderheiten, trägt seine Geschichte in sich. Das ist es, was den Künstler interessiert:

«So unbedeutend ein Stein auch wirken mag, er ist doch dazu imstande, die Tür zu einer eigenen Welt aufzustoßen.» Das Gestein wird hier zum Träger von Informationen, Erzählungen und Mythen. Nicolas Witschi enthüllt die Geheimnisse dieses ursprünglichen, kostbaren und zerbrechlichen Materials, das nicht allein von der Entstehung eines Landstrichs zu erzählen weiß, sondern auch Zeugnis ablegt vom Ursprung der Welt und der Unendlichkeit des Kosmos.

Gezeigt werden Bilder und Arbeiten die während der Zeit in Speyer entstanden sind. Insgesamt drei Werkserien: Speyer, Carrara und die Schweiz. Jede Region manifestiert sich in den Arbeiten durch ihre eigenen Farbigkeiten und Herangehensweise.

(Text vornehmlich aus: „Die Macht der Steine“ von Anne Jean-Richard Largey)

Vernissage: Freitag 13. September 2019, 19:00 Uhr
Künstlerhaus Speyer – Große Sämergasse 1a

14. Sept. 14-18 Uhr
15. Sept. 11-14 Uhr

Weitere Informationen:
www.nicolaswitschi.com

Fotos: Nicolas Witschi

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